Vietnam war in diesem Jahr zum Jahreswechsel mein Reiseziel. Mit einer kleinen Gruppe sehr symphatischer Menschen haben ich den Norden (Hanoi), Zentralvietnam (Hoi An) und den Süden (Saigon) besucht.
Der erste Eindruck in Hanoi erinnerte sehr an die 80 Jahre im Sozialismus. Obwohl hier noch eine Einheitspartei herrscht, hat sich das Land doch der westlichen Welt geöffnet. Die Fahnen der Partei sind allgegenwärtig. Selbst über dem höchsten religiösen Zentrum des Landes weht die Fahne der kommunistischen Partei. Auch die Mönche leben hier etwas anders. Buddha hat seinen Anhängern den Verzicht auf allen Luxus verordnet. In anderen Ländern Asiens gehen die Mönche auch sehr früh morgens betteln und bekommen Lebensmittel geschenkt. Ansonsten beten sie und gehen ihrer Arbeit im Kloster nach. Hier bekommen die Klöster Spenden und Mönche haben das neuste Handy und fahren große Autos.
Der Anteil an Autos ist klein. Mopeds beherrschen die Straßen. Regeln werden höchstens als Empfehlung betrachtet. Man fährt hier absolut chaotisch und dabei unglaublich entspannt. Die Gesichter der Verkehrsteilnehmer sind völlig entspannt, auch wenn sich manchmal ein Knäuel von Fahrzeugen nur zögerlich entwirrt. Man fährt auch gerne mal entgegen der Fahrtrichtung, wenn da Platz ist. Das stört hier niemanden. Jede noch so kleine Lücke wird sehr selbstbewusst und mit sportlichem Ehrgeiz genutzt. Als Fußgänger über die Straße zu gehen, kostet in Hanoi viel Mut. Wohl dem, der sich im Windschatten eines Erfahrenen über die Straße retten kann. Die Fußwege sind meist mit Mopeds oder durch die allgegenwärtigen Straßengeschäfte zugestellt. Da es hier kein Arbeitslosengeld gibt, halten sich Menschen mit kleinen Geschäften über Wasser. Auf einem Markt kamen wir mit einer Dame in Kontakt, die auf ihrer Schulter zwei mit Früchten voll beladene Körbe trug. Zwei kräftige Männer versuchten, das schmale Brett auf ihre Schulter zu wuchten - VERGEBLICH. Die 50 kg machten der Frau zwar auch zu schaffen, sie lief aber lächelnd mit dieser Last auf den Schultern weiter.
Einen Mann konnte ich bestaunen, der mit sicher unter 50 kg Körpergewicht ohne Schuhe einen Sack Reis vom LKW in eine Gaststätte geliefert hat. Er zerrte sich den Sack auf den Rücken und ging gebückt. Auf dem Sack stand das Gewicht – 60 kg! Der krasse Unterscheid zwischen arm und reich hier führte natürlich zu Nachfragen bei einem unserer Reiseleiter. Als Nachfahre von Bauern konnte er als junger Mensch Deutsch studieren und in den 80er Jahren als Dolmetscher den Vietnamesen in der DDR helfen. Sowas ist heute nicht mehr möglich. Jetzt müssen die Menschen in Vietnam für die Schule bezahlen. Nicht nur Bücher und Essen, auch Schuluniformen müssen gekauft werden. Ebenso ist die kostenlose Krankenversorgung gestrichen. Rente bekommt nur, wer in die Rentenkasse eingezahlt hat.
Dem Land fehlt es an Geld, obwohl es Rohstoffe im Land gibt. Die Franzosen haben 100 Jahre lang Kohle abgebaut und exportiert. Es gibt auch bedeutende Vorkommen an Gold und Diamanten. Es herrscht eine maßlose Korruption und sicher auch Betrug. Es gibt überall Bauruinen. Ganz schlimm war es in der Halong Bucht. Hier sieht man eine riesige Anzahl angefangener großer Bauten. Was unser Guide zusätzlich als schweres Problem des Landes nannte, ist die Verschwendung öffentlicher Mittel. Es werden auch öffentliche Bauprojekte begonnen, aber nie fertiggestellt. Wir sahen ein großes Krankenhaus-Gelände in der Größe der Uni-Klinik Jena. Der Rohbau war schon vor 10 Jahren fertig. Seither ist nichts mehr passiert. Mittlerweile verschimmelt das Gebäude durch die sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Auch beim Bau der Autobahn geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Man meint, 1 km Autobahn kostet hier wegen der allgegenwärtigen Korruption doppelt so viel wie bei uns. In jeder Stadt sieht man die Prachtbauten der Menschen mit Einfluss. Strom ist hier billig (10ct). Er wird aus Wasserkraft, Kohle und Gas gewonnen. Der Bau von zwei Kernkraftwerken ist beschlossen. Lieferant ist Russland. Gut für die Planung des Ausbaus der Elektromobilität. Vietnam baut eigene vollelektrische Elektroautos und Elektroroller der Marke Vinfast. Eine Produktionsstätte in Hai Phong haben wir gesehen. An Ladestationen mangelt es aber auch hier. Bis 2045 möchte man die Verbrenner abgeschafft haben. Das ist sicher ein anspruchsvolles Ziel, würde aber der Umwelt sehr guttun. Der Gestank der unendlich vielen allgegenwärtigen Mopeds ist nur schwer zu ertragen. Selbst durch den Markt fahren diese Stink-Esel, vorbei an frischem Fleisch und Fisch.
Fleisch zeigen die Frauen in Vietnam auch gern, wenn sie ihr traditionelles Kleid mit dem Namen Ao Dai tragen. Man sieht das sehr schöne Kleidungsstück allerorts. Die Frauen tagen es mit Stolz und Selbstbewusstsein. Selbst die Stewardessen im Flugzeug trugen dieses besondere Kleidungsstück.
Eine andere Besonderheit dieses Landes ist das Wasser-Puppen-Theater. Sowohl Puppen als auch Darsteller treten in einem Wasserbecken auf. Man erklärte uns, dass ganz früher diese Schauspiele auf dem Land in Teichen zur Unterhaltung der Menschen aufgeführt wurden.
Auch beim Essen gibt es natürlich Besonderheiten. Vietnam ist ein bedeutender Reisproduzent. Nach der Ernte sind die Reisfelder trocken und die Mäuse leben dann im Schlaraffenland. Mit Unterstützung von Hunden fängt man Unmengen dieser nahrhaften Tiere und bereitet sie liebevoll zu. Knusprig braun gebacken mit Zitronengras und Kardamom soll das eine Delikatesse sein. Bisher habe ich leider nur ein Foto gesehen, noch kein Original. Was aber sehr auffällig ist, dass es kaum Vögel in den Bäumen gibt. Kein Vogelgezwitscher, keine Tauben, nicht mal Spatzen. Ebenso wenig sieht man Hunde oder Katzen. All diese Tiere stehen neben Maden und Fröschen auf der Speisekarte der Menschen hier. Auch Schlangen werden gegessen. Es werden lediglich die giftigen Körperteile entfernt. Das Blut der Schlangen wird als Medizin betrachtet und in ein Schnapsgläschen getropft, vermischt und getrunken. Besonders kostbar sind das Fleisch und Blut der Cobra. Oft sieht man Schlangen in Flaschen mit Schnaps. Dieser Schlangenschnaps soll besondere Wirkung haben. Für Feinschmecker wird etwas ganz besonderes Angeboten. Lebende Affen werden in speziellen Gaststätten an besonders eingerichteten Tischen präsentiert. Man schert Ihnen den Kopf und öffnet den Schädel. Dann kann der Gourmet das Gehirn des lebenden Affen essen.
Wer nicht auf exotische Fleischspeisen steht, findet hier die vielleicht besten Cashew-Kerne der Welt. Vietnam ist für seine große Exportmenge und die ausgezeichnete Qualität bekannt. Gerade die Cashew-Kerne erfordern viel Handarbeit.
Die Vietnamesen sind ja für Ihren Fleiß und Ihr Geschick bei Handarbeiten bekannt. Das kann man hier überall beobachten. An den Straßen gibt es jede Menge kleine Gewerbetreibende. Das konnten wir auch bei den Handwerkern beobachten. Beeindruckend war er Besuch in einem Keramikdorf nahe Hanoi. Ein ganzes Dorf steht hier im Zeichen der Produktion von allerlei Produkten aus Keramik. Wir konnten uns die Produktion und die künstlerische Gestaltung ansehen. Man arbeitet mit Fleiß, aber völlig entspannt.
Auch im Hotel und in der Gastronomie konnte man das überall beobachten. Die Menschen gehen sehr freundlich miteinander und mit den Gästen um. Es wird viel gelacht und man ist rücksichtsvoll. Diese Lebensfreude ist überaus herzlich und steckt an.
Sehr besonders ist die Bestattungs-Kultur. Traditionell werden Verstorbene in einem Holzsarg unter einem kleinen Erdhügel begraben. Nach 4 Jahren wird das Grab exhumiert. Die Knochen werden gewaschen, poliert und in einem kleinen Keramiksarg erneut begraben. Diese Grabstätte wird dann lange gepflegt. Die Ahnen werden verehrt und in Erinnerung gehalten. Diese Tradition ist weit verbreitet.
Kläranlagen gibt es kaum. Abwässer landen in den Flüssen. Müll wird vergraben oder verbrannt. Müllverbrennungsanlagen sind sehr selten. Unterwegs sahen wir sehr oft wilde Verbrennungsstellen und brennende Müllhalden. Der Qualm und der Gestank beim Verbrennen sind unerträglich. Vor allen die Plasteabfälle tragen dazu bei. Besonders Hanoi erstickt im Smog. Das Ausmaß erkennt man vom Flugzeug aus sehr gut. Im nächsten Jahr will man beginnen, Müll zu trennen.
Die Bahn ist historisch in Vietnam. Das von den Franzosen vor 100 Jahren erbaute Schmalspurnetz (1.000 mm) und selbst alte Lok's sind heute noch unverändert in Betrieb. An den Bahnübergängen kurbelt der Schrankenwärter im Freien noch fleißig per Hand.
Eine besondere Tradition ist der Schwiegermutter-Tag. Die Schwiegersöhne müssen der Schwiegermutter einen Hahn mit wenigsten 3 kg Gewicht schenken. Dazu eine Flasche Schnaps und Geld. Damit wird dann die Neujahrsfeier Ende Januar bestritten.
In der Landwirtschaft arbeiten immer noch weit über die Hälfte der Menschen. Seit 1990 verpachtet der Staat aber das Land an privat tätige Bauern. Selbst innerhalb von Ortschaften gibt es Reisfelder, in denen die Bauern tief im Schlamm stehend arbeiten. Das Land zum Bau eines Hauses kann man kaufen. Der Kaufpreis hängt maßgeblich von der Breite des Hauses zur Straße hin ab. Das hat zur Folge, dass mehrstöckige, sehr schmale Häuser gebaut werden. 2 bis 3 m breite Fassaden sind keine Seltenheit. Das spart wohl viel Steuern. Angeblich fallen auch erst Steuern an, wenn das Haus fertig ist. Deshalb ist oft das obere Geschoss oder das Dach unvollendet. Im krassen Gegensatz dazu stehen die Paläste der Superreichen.
Eine besondere Industrie ist der Tourismus um das Weltkulturerbe Ha Long Bucht. Wir wurden am Terminal abgefertigt und mit einem kleinen Zubringerboot eine halbe Stunde bis zum Schiff gebracht. Das bewegt sich kaum und bietet viel Essen, viel Trinken und Spaß an. Abends sieht man dann beleuchtete Schiffe in großer Anzahl. Die berühmten Karstfelsen sahen wir in Dunst und Nebel. Die Luftfeuchtigkeit ist hier meist sehr hoch. In dieser Gegend gibt es jede Menge Farmen zur Aufzucht von Austern. Es werden industriell weiße, gelbe und schwarze Perlen erzeugt. Auch hier ist die handwerkliche Fähigkeit der Asiaten beim Impfen der Austern gefragt. Mutige essen sogar die Austern, die im vor Verschmutzung schäumenden Fluss heranwachsen.
Bei uns völlig unbekannt ist der Unternehmer, der die VIN-Gruppe hier gegründet hat. Der Vietnamese hat angeblich in der Ukraine eine Fabrik für Instant-Nudeln gebaut und später an Nestle verkauft. Jetzt hat er enormen Einfluss auf die Entwicklung in Vietnam. Er steht dem Mischkonzern VIN-Group vor und baut Autos (Vinfast), Roller, jede Menge Konsumgüter, riesige Wohngebiete (Vinhomes), Schulen (Vinschool), Krankenhäuser bis hin zu Universitäten. Er betreibt Landwirtschaft, Finanzgeschäfte, Forschung und hat Anteil am Tourismus. Er ist vielleicht der Elon Musk von Vietnam.
Höhepunkt der Reise war für mich der Besuch im Lune Center in Hoi An. Die Show hatte höchstes Niveau. Akrobatik vom Feinsten kombiniert mit der Kultur dieses Landes. Tolle Kostüme, authentische Musikinstrumente, Geschicklichkeit und Anmut haben das Publikum begeistert. Die Altstadt ist sehenswert, aber von Touristen überschwemmt. Es gibt sehr viele sehr gut erhaltene Zeugnisse aus alter Zeit, schöne Museen und viele religiöse Orte. Lästig sind die vielen Mopeds und Fahrräder im Fußgängerbereich. Schlimmer als der Gestank der Mopeds ist aber der Qualm der kleinen Opferschalen mit brennendem Agarholz. Vor und in den kleinen Läden an den Straßen ist die Luft voller Qualm.
Als allein reisender Mann hat man es in den Städten schwer. Man ist den Damen hilflos ausgeliefert, die zu einer Massage (mit und ohne Happy-End) einladen.
Ein Happy-End brachte mir aber die Heimreise. Am Gate beim Einchecken würde meine Bordkarte als ungültig erkannt. Etwas verunsichert und erwartungsvoll sah ich ins Gesicht der kleinen Dame am Schalter. Sie bleib entspannt und entfernte den Gepäckaufkleber von meiner Bordkarte und klebte ihn auf eine andere Karte. Mein Sitz war nicht mehr verfügbar und ich wurde umgebucht. Da unser Flugzeug weit entfernt vom Terminal stand wurden wir mit Bussen dort hingebracht. Ich wurde am Ausgang des Gebäudes abgefangen und musste mich in einen alten klapprigen Bus setzen. Dort war ich recht lange ganz allein mit dem Busfahrer. Meinen Pass habe ich fest in Händen gehalten, weil ich ja nicht wusste was da auf mich zukommt. Als endlich weitere Reisegäste einstiegen, wurde mir wohler. Der Bus quälte sich dann auch recht bis zum Flugzeug, wo die anderen Gäste aus ihrem schönen Bus stiegen. Ich musste zusammen mit den anderen Ausgesonderten in der Gangway direkt hinter dem Cockpit einsteigen. Der neue Platz war Reihe 2 in der Business-Klasse. Hmm – nicht schlecht so ein verstellbarer Sitz mit Platz ohne Ende. Ich kam mir ziemlich deplatziert vor in diesem Bereich, konnte aber erstmals im Flugzeug gut schlafen. Der Sitz konnte bis zur Liegeposition gefahren werden. Das hat bei 13 Stunden Flug gutgetan. Interessant fand ich die „VIP’s“ um mich herum. Nachdem Sie dem Sekt und Wein sehr zugetan waren sahen sie sich im Entertainment Kindersendungen an.
Die Reise nach Vietnam war sehr interessant. Mit den Menschen dort habe ich mich sehr wohl gefühlt. Sie sind nicht nur fleißig, sie sind auch wirklich freundlich und bescheiden. Im Bus stehen die jungen Menschen noch für ältere Leute oder Mutti mit Kinde von ihrem Platz auf. Es wird viel gelacht. Man hilft sich und achtet auf den anderen. Die Frauen sind stark und selbstbewusst. Man sieht sie auf dem Feld, im Straßenbau und als Händler auf den Straßen. Sie scheuen sich vor keiner noch so schweren Arbeit. Im Kunstmuseum Saigon habe ich Bilder von Frauen mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck und einer Kalaschnikow in Händen gesehen. Sie machen sich schön und zeigen sich gern in schönen Kleidern. Die Vietnamesen sind Gemeinschaftsmenschen und tun alles für die Ausbildung ihrer Kinder. Sie sind aber auch geschäftstüchtig und sehr erfinderisch. Besonders aufgefallen sind mir auch die vielen Bilder und Kunstobjekte. Man findet hier alle Kunstrichtungen in erstaunlich großer Anzahl und sehr gute Werke für jeden Geschmack. Ich habe mir einige Kunstausstellungen angesehen. Das war sehr beeindruckend.