Es ist gut, wenn man ein Land besucht, ohne große Erwartungen mitzubringen. Obwohl Neuseeland gleich um die Ecke neben Australien liegt, ist es doch völlig anders. Es gibt hier eine beeindruckende Natur zu bestaunen. Stundenlang kann man hier durch ein wildes von Vulkanismus beherrschtes Land reisen, ohne sich von den immer wieder neuen Eindrücken satt zu sehen. Die Natur wurde durch Kahlschlag der ursprünglichen Vegetation verändert und nun beherrschen riesige Weideflächen mit Unmengen an Kühen und Schafen das Geschehen. Die kleinen Orte zwischen diesen sehr ländlichen Gebieten sind gut versorgt und bieten der Landbevölkerung alles Erforderliche. Mit Kultur sieht
es dürftig aus. Vom nächsten Kino oder Theater kann man schon mal Tage entfernt sein.
Im krassen Gegensatz dazu stehen die wenigen großen Städte wie Auckland oder Wellington. Hier herrscht der normale Großstadtstress. Bezeichnend ist die große Ähnlichkeit zu England. Auf den Dörfern kleine, gepflegte Kirchen jeder christlichen Glaubensrichtung und in der Großstadt die gleichen Menschentypen wie im Ursprungsland vieler Siedler aus alter Zeit. Junge dynamische Menschen hetzen durch die Straßen, Männer in Anzügen mit zu kurzen Hosen, gutem Schuhwerk und quer über den Körper umgehängter Aktentasche.
In der Hauptstatt konnte ich ausgiebig ein Schauspiel beobachten, das mich zum einen sehr erheiterte und zum anderen aber auch sehr nachdenklich gemacht hat. Das Schauspiel war in der Küche eines Hostels zu beobachten. Man konnte sich hier selbst Eierkuchen backen - falls man dieses schwierige Handwerk beherrscht. Die Teigmischung war vorbeireitet aber die große Herausforderung bestand im Braten. Scheinbar hatten alle Gäste ihren ersten Kontakt mit einer Pfanne. Nur Wenige wussten, dass man die Pfanne zuerst einölen muss. Dann begann aber der schwierige Teil. Manche versuchten hektisch viel zu früh den Teig zu wenden. Das führte dann zu sehr amüsanten Haufen, die eher einem verbrannten Rührei ähnelten und allzu oft im Abfalleimer landeten. Manche vom Hunger geplagte junge Menschen gaben nicht auf und produzierten einige dieser wohl ungenießbaren Gebilde. Andere gaben einfach auf und entschieden sich für Müsli. Einige Unerschrockene versuchten auch ihre verbrannten Teigfladen zu essen.
Was mich aber sehr nachdenklich gemacht hat, war die absolut nicht stattfindende Kommunikation. Die offensichtlich Unerfahrenen nicht immer ganz jungen Menschen konnten nicht kommunizieren. Selbst in größer Not standen sie wortlos nebeneinander, ohne sich zu helfen. Manche suchten sogar Hilfe bei ihrem einzigen wirklichen Freund - dem Handy. Aber offenbar können Handis nicht mit einer eisernen Pfanne umgehen. Dabei wäre es so einfach gewesen, dem jungen deutschen Dorf-Ei zuzusehen und auf Grund des nicht zu übersehenden Erfolges die so einfachen Tricks zu erfragen. Dazu hätte man aber seine egoistische Selbstverliebtheit aufgeben und sich zu einem Gespräch mit Worten herablassen müssen. Gerade das geht aber unübersehbar durch die trostlose Welt der Medien in der westlichen Welt verloren.
Aber Weihnachten feiert man extrem heftig hier. Seit dem ersten Tag hier hören wir allerorts Weihnachtslieder. Die Weihnachtsbäume sind überall präsent und manchmal gigantisch groß. Das Fernsehen ist einfach unerträglich. Niveauloser Kommerz auf fast allen Kanälen. Ein Sender speziell in der Sprache der Maori bildet hier eine Ausnahme!
Mit Radio während der Autofahrt war es auch schwierig. Meist nur ein Sender, oft auch gar kein Empfang, nur in den Städten natürlich mehr.
Da wäre dann noch die Kultur und Kunst, die auch sehr stark an das alte England angelehnt sind. Die Geschichte der Maori ist sehr alt und kommt im Gegensatz zu Australien aus der Inselwelt weiter östlich. Dabei sind die Menschen hier extrem gut weggekommen. Offenbar war es zum späten Zeitpunkt der Besiedelung durch das Britische Empire nicht mehr gern gesehen, die Ureinwohner einfach zu entsorgen. Diesmal hat man sich Mühe gegeben, die alte Kultur auf dem Papier zu erhalten. Natürlich ohne jegliche politische Macht. Deutlich wurde das in den historischen Schulen der alten Siedlungsorte. Die Holzbänke mit Tintenfaß, die Schiefertafeln und der allgegenwärtige Rohrstock waren zur gleichen Zeit auch bei
uns üblich. Nicht jedoch die Regeln, die an der Tafel angeschrieben steht. Paragraph 1 war immer - Es darf in der Schule nicht Maori gesprochen werden. Mittlerweile gibt man sich zwar Mühe, die Kultur der Ureinwohner darzustellen und zu pflegen, oft dienen aber die Tänze einzig dem touristischen Kommerz. Das haben die Menschen hier sehr schnell gelernt und verdienen an den Touristen prächtig.
Die Krönung war der Besuch eines Drehortes von Herr der Ringe. Um das Dorf der Hobbits besuchen zu können, musste man eine Tour buchen. Mit dem Bus ging es zu einem Parkplatz, an dem sogar die Busfahrer getauscht wurden. Nur die Angestellten des Touristikunternehmens durften die Leute in das private Gelände des Filmsets fahren. Die Landschaft dort war traumhaft und passte perfekt zu den Hobbits. Keine Straßen, keine Stromleitungen und nichts zu sehen, was auf eine Welt außerhalb des Hobbitdorfes hingedeutet hätte. Für uns war das ziemlich teuer, aber sicher ein einmaliges Erlebnis.
Ein ebenso spannendes Erlebnis war das Baden in einem Fluß. Inmitten eines Thermalgebietes war der Fluß mehr als badewarm - mal ganz was anderes. Je weiter man sich flußabwärts bewegte, desto kühler wurde das Wasser. Auch die Algen hatten ihre Freude an dem warmen Wasser. Unsere Badehosen habe ich drei Mal ausgewaschen, bis das Spülwasser einigermaßen normal aussah.
Kulinarisch ist hier alles sehr englisch. Hervorragend ist der frische Fisch an der Küste und das selbst gemachte Eis aus frischen Früchten. Man mischt eine Grundmasse (könnte Sahneeis sein) mit angefrorenen frischen Früchten nach Wahl. Da hier alles wächst, ist die Vielfalt enorm. Wir entschieden uns für frische Kirschen mit Banane.
Die Politik ist so, wie es sich für eine englische Kolonie gehört. Abgesehen von einem winzigen Teil der Geschichte des Landes beginnt hier alles mit der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen England und den Maori-Stämmen 1840. Seither werden den Maori Rechte zuerkannt. Praktisch hat diese Bevölkerungsgruppe aber kaum Einfluss auf die Geschicke des Landes.
Sehr beliebt ist natürlich der Kriegstanz, in dem Männer und auch Frauen sich in höchster Erregung scheinbar jeden Moment auf ihr Gegenüber stürzen. Die Maori-Kultur hebt man momentan etwas und hat ihr auch im neuen Nationalmuseum einen großen Teil gewidmet.
Auch der Einsatz der Neuseeländer im ersten Krieg wird übermäßig betont. Überlebensgroße Figuren schildern hier den heroischen Kampf der Helden. Das sind aber ausschließlich europäische aussehende Figuren. Hier hat man die Maori auch auf den Fotos der Schlachten in der Türkei wohl vergessen.
Viel ehrlicher und auch wesentlich besser strukturiert ist das ältere Wellington Museum.
Wunderbare Ausstellungsstücke, sehr kinderfreundliche Gestaltung und vor allem viel glaubhafter findet man hier die Geschichte des Landes dargestellt. In einer Vitrine hat man sehr schön ohne Worte die Machtverhältnisse dargestellt. Das Gewehr der englischen Soldaten hängt hier gekreuzt mit der Steinwaffe der Maori. Das macht die Verhältnisse damals und heute recht deutlich. Die Maori sind ganz normaler Bestandteil der bunten Bevölkerung hier, so wie vielleicht die Sorben in der DDR.
An diversen Orten kann man historische Gebäude in einer Art Museumsdorf bestaunen. Ähnlich wie in Hohenfelden wurden historische Gebäude gesammelt, die aus Orten der Umgebung abgebaut wurden. Alles sehr liebevoll erhalten und sehr kinderfreundlich gestaltet. Hier wird die Geschichte wieder sichtbar.
Umweltschutz kann man sich insofern leisten, da durch das Überangebot an Wasser günstig Strom erzeugt werden kann. Strom spart hier niemand. Klimaanlagen laufen überall. Windenergie lehnt man ab. Vermutlich würde das dem Tourismus schaden, der hier einen nicht unbedeutenden Wirtschaftsfaktor ausmacht.
Eine recht interessante Begegnung hatten wir beim Einkaufen. Ein Mann mittleren Alters sprach uns an. Er hatte uns an der Sprache als Deutsche erkannt. Er erwähnte seine Kontakte nach Rostock, Leipzig, Köln ... und stellte uns doch tatsächlich die Frage, was denn nun nach unserer Ansicht besser wär - die DDR oder die westliche Welt. Das sich jemand hier am anderen Ende der Welt darüber ernsthaft Gedanken macht, war schon sehr erstaunlich. Da die Antwort auf diese Frage kompliziert ist, wurde das Gespräch dann auch nicht endlos ausgeweitet.
In Christchurch lernten wir eine ausgesprochen ruhige Stadt mit Pappkirche kennen. Auch hier lebt man sichtbar harmonisch mit allen Volksgruppen.
Es gibt tatsächlich eine Kirche, die mit Rohren aus Pappe gebaut ist. Diese Rohre sind mit Dachlatten verbunden und darauf wurden dann die Dachplatten befestigt. Dieser Bau war auch deshalb sehr ungewöhnlich, weil man erst durch den giftshop im Eingangsbereich musste, bis man in den Hauptraum kam. Es fand auch gerade ein chinesischer Gottesdienst dort statt.
Ausgesprochen schön gemacht war der Botanische Garten in Christchurch. Hier genießen auch alle Menschen diesen kostenlosen Ort der Erholung. Kinder spielen auf dem sehr gepflegten Rasen. Manchmal jagen die Kinder auch Möwen oder Enten und alle haben Spaß, vielleicht sogar die Vögel.
Offenbar ist es so, daß man in Neuseeland streng darauf achtet, das die Gemeinschaft hier von friedliebenden Menschen geprägt bleibt.
In den 21 Tagen hier habe ich keine Moslems und keine Buddhisten entdeckt. Die vielen Kulturen halten an ihren alten Traditionen sehr fest. Offenbar ist es aber so, daß alle hier sind um zu arbeiten und ein gutes Leben zu führen. Interessant, wie doch ein angepaßtes Sozialsystem die Menschen beeinflußt und die Bevölkerung eint. So einfach kann das sein.
Mir scheint auch der Unterschied zwischen arm und reich hier nicht sehr groß zu sein. Vielleicht vertragen sich die Menschen auch deshalb so gut.
Auf dem kurzen Flug von Christchurch nach Sidney habe ich mir den ersten Teil von Herr der Ringe angesehen und mit völlig anderen Eindrücken einige Orte wiedererkannt. Auch die besondere Natur aus dem Film ist tatsächlich authentisch. Das war sehr beeindruckend.
Zwei Erlebnisse waren überraschend beeindruckend. An der Westküste konnten wir in einer Höhle Glühwürmchen bestaunen. Allein nach Einbruch der Dunkelheit gingen wir zur zuvor ausgekundschafteten Höhle und staunten sicher eine Stunde über dieses Naturspektakel. Die Wände und die Decke waren übersäht mit leuchtenden Punkten.
Ebenso viel Zeit verbrachten wir am Wasserkraftwerk dieses Ortes. Hier strömte das Wasser aus einem See durch eine Turbine im Tal. In einer riesigen Fontäne schießt hier das Wasser mit überwältigender Energie aus dem Maschinenhäuschen in den Fluß. Auch die Geräuschkulisse zwingt hier schon zu respektvollem Abstand.
Wir besuchten einen Ort, an dem ein riesiger Kiwi zu bestaunen war. Zufälligerweise war der Erbauer anwesend und berichtete uns voller Stolz, wie er den Kiwi erdacht und gebaut hat. Ein Grundgerüst aus Holz wurde mit Plastefolie umwickelt. Dann folgte ein feinmaschiges Drahtgeflecht zum Auftragen des Betonputzes. Lustig war dann zu erfahren, wie er seine Frau ins Innere des Kiwi bat, um mit Kabelbindern die Folie mit dem Drahtgeflecht zu verbinden. Die arme Frau mußte 5.000 Kabelbinder in dieser Plastehülle bei ordentlicher Wärme und Feuchtigkeit durchstehen. Für die Frau sicher ein Knochenjob, für Ihn und für uns amüsant.
Wir besuchten die größte Süßwasser-Quelle der südlichen Hemisphäre. Da strömte aus dem Felsengrund eine derart starke Quelle, das direkt darüber ein Fluß seinen Lauf beginnt, der mit der Saale bei Jena vergleichbar ist. Natürlich ist das auch ein heiliger Ort der Maori.
Etwas Besonderes waren auch die Naturgewalten der Huka Wasserfälle. Hier zwängt sich ein Fluß durch eine nur wenige Meter breite Engstelle.
Im krassen Gegensatz zur friedlichen Welt der Hobbits in Neuseeland steht das hektische Sidney. Gerade vor Silvester brodelt diese Stadt. Beim Spaziergang über die Harbour-Bridge konnte man schon die Unmengen Feuerwerkskörper an den Brückenträgern sehen.
Wir erfuhren auch, daß es nur in Sidney und in Canberra Feuerwerk gibt. Ansonsten ist das hier verboten. Das Feuerwerk zu Silvester am Hafen war wirklich beeindruckend. Ohne Alkohol in den abgesperrten Flächen wurde dieser Tag für alle zum Erlebnis. Man mußte schon zeitig vor Ort sein, weil die Anzahl der Menschen pro Platz beschränkt wird. Die Stimmung war natürlich sehr ausgelassen. Eine kleine Gruppe kam mit wenigen Instrumenten extatisch von Hara Krishna singend gezogen. In nicht einmal einer Minute vervielfachte sich die Anzahl der stocknüchternen Sänger. Die Stimmung riß alle Passanten magisch mit.
Sidney ist zwar nicht Hauptstatt des Landes, tritt aber gern als bedeutendste Stadt des Landes auf. Nicht nur wegen des wichtigsten Events des Jahres zu Silvester, sondern auch wegen der dort etablierten Finanzbranche. Ähnlich wie in New York dominieren hier die Banken.
Das unbestritten wichtigste Gebäude der Stadt ist aber das Sydney Opera House. Sicher kommen die meisten Besucher genau wegen dieses Gebäudes in die Stadt. Vielleicht wäre das Opernhaus auch von innen etwas weltweit Einmaliges geworden, wenn die Australier den Architekten sein Werk hätten vollenden lassen. Die Entscheider in den 60ern in Australien waren offenbar mehr Kaufleute als Visionäre. Trotzdem ist hier im Hafen von Sidney eine Legende entstanden. Das haben 30 Jahre später klügere Köpfe erkannt und mit den Nachkommen des Architekten zusammen die Erhaltung und Entwicklung des Gebäudes begonnen. Es finden hier pro Jahr über 1000 Veranstaltungen in den 3 Spielstätten statt.
Wir besuchten eine Veranstaltung im großen Saal und waren sehr angetan.
Auch die Museen, die wir besucht haben, waren sehenswert. Alle immer kinderfreundlich mit Inseln zum Erholen für die Kids. Ein Tagesausflug per Bahn führte uns in die blue mountains nach Katoomba. Der Ort war zwar über 2 Stunden entfernt, aber trotzdem über das öffentliche Verkehrssystem sehr preiswert zu erreichen. Schon der Bahnhof war historisch und erinnerte an das letzte Jahrhundert. Es war alles sauber und gut erhalten. Auch im Stadtzentrum waren noch so ziemlich alle Gebäude im alten Stiel erhalten - sehr sehenswert.
Die Wanderwege in dieser Gegend sind gut besucht. An den sehr gepflegten Rastplätzen genießen Einheimische und Touristen die Natur. Es sind immer saubere Toiletten und Trinkwasser vorhanden. Manchmal gibt es Plätze mit Propangrill zum Selberbraten. Diese Tradition war für uns etwas Besonderes.
So war auch die ganze Reise etwas Besonderes - nicht nur wegen der Entfernung.
Durch unsere Unterkunft im Privathaus einer Familie hatten wir Gelegenheit, dem Leben der normalen Menschen dort etwas näher zu kommen. Wir wurden sogar zum Abendessen eingeladen. Der Herr des Hauses ist Jäger und hat sein frisch erlegtes Fleisch gebraten. Die Hausherrin hat Salate vorbereitet. Wir haben den Aufwasch erledigt. Das waren zwei schöne Abende mit Familienanschluß. Sowas erlebt man auch nicht so oft. Und man kann Fragen stellen, die von den übermäßig freundlichen Neuseeländern gerne und ausführlich beantwortet werden.
Wenn die Anreise nicht so gewaltig wäre, könnte man hier mal wieder kommen.
Zurückblickend haben wir festgestellt, dass ausnahmslos jeder Tag dieser Reise ein gelungener Tag war.
Wir durften auf diese Vater-Sohn-Reise so viele Eindrücke gemeinsam genießen. Das war toll und gab uns jede Menge Lebensfreude.